So langsam geht unser toller Neuseelandurlaub dem Ende zu, aber wir haben uns noch ein Highlight für ganz zum Schluss aufbewahrt: den Tongariro Alpine Crossing, eine laut offiziellen Angaben sieben- bis achtstündige Wanderung im Tongariro Nationalpark auf der Nordinsel. Mittlerweile bin ich mir allerdings nicht mehr so sicher, ob das eine gute Idee ist, ich habe zu viele YouTube-Videos dazu gesehen. Dort wird durchgängig vor den Herausforderungen dieses knapp 20 Kilometer Marsches durch mehrere Vulkankrater im alpinen Gelände gewarnt. Allerdings wird diese Tour auch als eine der schönsten Tageswanderungen Neuseelands und sogar weltweit beschrieben. Und Vulkane waren schon immer mein Ding als Geographin. Also hoffen wir auf gutes Wetter und ich werde es, motiviert durch meine Tochter, schon schaffen!
Am Tag zuvor fahren wir von Rotorua aus über den Lake Taupo in den Tongariro Nationalpark, Welterbe der UNESCO. Im Nieselregen sehen wir kaum etwas von der imposanten Bergkette der drei Vulkane Mt. Tongariro, Mt. Ruapehu und Mt. Ngauruhoe – hm, hoffentlich wird das Wetter morgen besser. Wir übernachten in der Plateau Lodge (sehr empfehlenswert) im Nationalpark Village und haben uns im Vorfeld in Taupo und Turangi mit Lebensmitteln eingedeckt – im Nationalpark selbst gibt es nicht allzu viele Möglichkeiten (und der Imbiss unserer Wahl hat auch noch heute geschlossen).
Die Wettervorhersage hat recht behalten, am nächsten Morgen ist es trocken. Bei 6 Grad (Ende Januar) schälen wir uns nur ungern aus unserem warmen Bett und ziehen uns nach dem „Zwiebelprinzip“ und – ganz wichtig – knöchelhohe Wanderschuhen an. Die Rucksäcke (u.a. ausreichend – d.h. 2 Liter – Wasser, Essen, Regenjacke, Toilettenpapier, Kappe/Sonnenmilch, meine verfrorene Tochter natürlich auch eine Mütze) haben wir natürlich schon am Vorabend gepackt. Mit unserem Mietwagen geht es zum Ketetahi Carpark (Ende der Wanderung), wo uns um 7 Uhr ein Shuttle erwartet, das uns zum Startpunkt des Trails, am Mangatepopo Carpark, bringt. Vorab: Diese Variante ist für alle Mitwagenbesitzer sehr zu empfehlen, denn damit seid ihr unabhängig von einer bestimmten Rückkehrzeit. Ihr könnt so schnell oder langsam laufen, wie ihr wollt, am Ende wartet ja euer Auto auf euch!
Die Fahrt im Kleinbus zum Beginn des Trails dauert rund 30 Minuten. Wir laufen im Morgenlicht auf etwa 1.100 Höhenmetern los, in der Ferne ist der noch teils schneebedeckte Mt. Ruapehu zu sehen, mit knapp 2.800 Metern der höchste Vulkan Neuseelands. Zunächst geht es recht gemächlich durch das Mangatepopo Valley entlang von älteren und jüngeren Lavaströmen und Vegetation, die sich langsam ihr Terrain in dieser unwirtlichen Umgebung erobert.
Bis zu den Soda Springs hält sich die Steigung in Grenzen. Sicherheitshalber gehen wir noch einmal auf die Toilette (ohne Klopapier, daher unbedingt mitnehmen). Hier gibt es auch eine extra Portion Motivation („Good effort“), was einigermaßen witzig ist, denn es ist erst etwa eine Stunde geschafft und zwar eine der leichteren Stunden. Wer nicht auf Toilette geht, bekommt auf dem Weg ein etwas „härteres“ Schild präsentiert, überlegt euch gut, ob ihr weiterwandert! Ich wüsste zu gerne, wie viele Leute hier umkehren.
Was die Schilder aber deutlich machen: Es folgt ein schwerer Abschnitt, die Devil’s Staircases. Dieser Name ist Programm, je nach Berechnung des Startpunkts müssen auf kurzer Distanz etwa 300 Höhenmeter über Treppen und steile Anstiege bis zum South Crater überwunden werden. Immer, wenn wir glauben, dass wir oben angekommen sind, kommt hinter einem Felsen ein weiterer Anstieg – puh. Oben angekommen werden wir mit Ausblicken zurück ins Mangatepopo Valley mit erkennbaren jungen Lavaströmen belohnt, sobald ich meine Schnappatmung wieder unter Kontrolle habe. An klaren Tagen sieht man bis zum Mt Taranaki an der Küste, wir sehen in der Ferne zwei Erhebungen in den Wolken, eine davon muss dieser Vulkan sein.
Eine weitere „Belohnung“ für die Mühen auf den Teufelsstufen ist ein toller Blick auf den perfekten Vulkankegel des Mt. Ngauruhoe oder Mt. Doom (2.287 Meter hoch). Wenn euch dieser bekannt vorkommt: Ja, es ist der Schicksalsberg in Mordor aus „Herr der Ringe“! Es folgt dankenswerterweise ein herrlich flaches Teilstück durch den South Crater (eigentlich kein Krater, sondern vermutlich glazial geformt – egal, Hautpsache eben!), aber in der Ferne ist schon der nächste Anstieg zum Red Crater erkennbar. Erst hören, dann sehen wir einen Helikopter bei diesem Aufstieg. Nur ein Scenic Flight oder eine Rettungsmaßnahme? Der Tongariro Crossing hat die höchste Rate an Bergrettungen aller Tracks in Neuseeland. Weil er so bekannt ist, machen sich zu viele unerfahrene und schlecht ausgestattete Menschen (wir sehen Wanderer in Chucks) auf diesen Weg.
Kurz vor dem Aufstieg zum Red Crater warnt uns ein weiteres Schild – „Decision time“! Die meinen es echt ernst mit ihren Warnungen. Der Aufstieg zum Red Crater führt weniger über angelegte Treppenstufen, sondern teils über Schotter, teils über unregelmäßige Naturfelsstufen nach oben. Am Ende liegt der höchste Punkt des Crossings auf 1.886 Metern, unterhalb des Mt. Tongariro (1.967 Meter). Oben angekommen, finden wir eine Steinhaufen-Fähnchen-Gipfelmarkierung und die 360-Grad-Aussicht ist gigantisch. Wir sehen den Mt. Ngauruhoe und den durchquerten South Crater mit einem jungen Lavastrom sowie den Mt. Tongariro. Höchst eindrucksvoll auch der Red Crater (die rote Farbe entstammt oxidiertem Eisen) mit dem imposanten Lava-Dike (ich überlasse es eurer Fantasie, an was euch dieser erinnert), aus dem die Lava geflossen ist. Dampfende Fumarolen zeugen von der postvulkanischen Aktivität. Auf der anderen Seite der Abstieg zu den drei türkisfarbenen Emerald Lakes und dem Blue Lake, in der Ferne der Lake Taupo. Wir können uns gar nicht sattsehen!
Wir beschließen, nicht hier, sondern unten an den Seen unsere Pause einzulegen. Denn in besagten YouTube-Videos war auch immer wieder vor dem folgenden Teilstück gewarnt worden. Es führt über einen stellenweise relativ schmalen Grat (besonders problematisch bei Wind), der mit losem Material (pyroklastischen Schotter und Schlacke) bedeckt ist, nach unten. Wer hier keine knöchelhohen Schuhe trägt, versinkt darin, verschrammt sich die Knöchel und hat ständig Steine im Schuh. Rutschen ist hier Programm, am Ende macht dieses Teilstück – mit richtigem Schuhwerk – aber sogar Spaß. Unten angekommen, setzen wir uns an einen der smaragdfarbenen Emerald Lakes (gefärbt durch Mineralien, siehe auch Geothermal Explorer zwischen Taupo und Rotorua) und machen Mittagspause. Meine Tochter stört sich etwas am Schwefelgeruch der Fumarolen, ansonsten genießen wir unsere Snacks und beobachten, wie die anderen herunterrutschen.
Weiter geht es durch den Central Crater und vorbei am Blue Lake, der den Maori besonders heilig ist; bitte nicht in das Wasser fassen oder gar darin baden. Hinter dem Blue Lake öffnet sich der Blick auf die Ebene zum Lake Rotaira und Lake Taupo – und ein seeehr langer Abstieg beginnt. Mental etwas schwierig, weil die bisherigen Strapazen zumindest bei mir körperlich zu spüren sind, das Ende am Ketetahi Carpark permanent sichtbar ist und der Weg nicht enden will. Wir laufen zunächst durch eine Tussock-Graslandschaft, vorbei an dem Gebiet, wo die jüngste Aktivität des Mt. Tongariro (2012) stattfand (die Aschewolke legte Teile des Flugverkehrs lahm). Ja, dieses Gebiet ist nach wie vor vulkanisch aktiv, mit Ausbrüchen muss jederzeit gerechnet werden!
Eine kleine Pause legen wir noch an der Ketetahi Shelter ein. Einst gab es hier eine Übernachtungshütte, die beim Ausbruch des Mt. Tongariro 2012 beschädigt wurde, heute nur noch ein WC. Die endlosen Serpentinen gehen dann über in Buschland (wo wir auch Tuis, gehören zur Familie der Honigfresser, sehen), später in einen Steineiben-(Podocarpus)-Hartholz-Wald. Ab der Shelter beginnen die Schilder, die Wanderer mit Shuttleanschlüssen antreiben, damit diese ihre Busse nicht verpassen. Wir sind wie gesagt froh, hierauf nicht angewiesen zu sein! Nach 6,5 Stunden kommen wir, ziemlich platt, aber stolz und voller unvergesslicher Eindrücke, am Endpunkt des Tongariro Alpine Crossings an. Nach den ganzen motivierenden, anspornenden und warnenden Schildern unterwegs sind wir etwas enttäuscht, dass am Ende kein „Jubelschild“ (Great effort! You made it! Well done!) auf uns wartet, sondern nur eine Karte, wo wir den Track noch einmal nachvollziehen können.
Vom Abholpunkt der Shuttle müssen wir noch ein Stück die Schotterstraße hinunter bis zum Parkplatz am SH 46, wo unser Auto wartet, und fahren zurück zum Hotel. Zum Glück hat die Massage noch einen Slot frei und ich genieße die Behandlung, ohne die mein Muskelkater am nächsten Tag sicher noch viel schlimmer gewesen wäre.
Tipps rund um den Crossing (im Sommerhalbjahr)
Grundsätzlich gilt natürlich, dass alle Wanderer je nach Fitnessgrad und Erfahrung selbst entscheiden, ob sie sich den Crossing zutrauen oder nicht. Die folgenden Tipps sollen euch bei der Entscheidungsfindung helfen, erheben aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit, dazu sind die Menschen und Bedingungen vor Ort einfach zu unterschiedlich. Zur Orientierung: Ich selbst gehe sehr viel (auch länger) spazieren, mache regelmäßig ein bisschen Sport und würde mich als „durchschnittlich fit“ betrachten, habe aber keine besonderen Erfahrungen zum Wandern im Hochgebirge.
- Vorbereitung: Informiert euch über die offizielle Internetseite des Nationalparkbüros. Ob ihr die diversen YouTube-Videos anschauen solltet, sei dahingestellt (im Nachhinein macht das auf jeden Fall Spaß). Es sind sehr gut gemachte, aber auch sehr „lustige“ und „blauäugige“ Dinge dabei. Lasst euch dadurch aber nicht abschrecken (genauso wenig wie von den Schildern unterwegs).
- Ausrüstung: Must have: Regenjacke, ausreichend Wasser, Essen, Toilettenpaper, Sonnencreme/Kopfbedeckung im Tagesrucksack. Ich persönlich würde nur in knöchelhohen Wanderschuhen laufen (allein schon wegen dem Abstieg zu den Emerald Lakes). Wir haben viele mit Turnschuhen (oder gar Chucks) gesehen, aber das muss jede/r selbst entscheiden. Kleidet euch nach dem Zwiebelprinzip, wie warm (und ob mit Mütze und Handschuhen), hängt von der Jahreszeit ab. Allerdings haben wir trotz Sommer die Wanderung morgens bei 6 Grad Celsius gestartet. Oft werden eine Stirnlampe (vor allem, wenn die Tage kürzer sind), manchmal auch Wanderstöcke empfohlen, beides habe ich nicht vermisst. Theoretisch kann sich übrigens der Shuttle-Fahrer, wenn er eure schlechte Ausrüstung sieht (also z.B. Sandalen und keinen Tagesrucksack, sprich: ohne Wasser), weigern, euch zu transportieren. Ich schätze aber mal, das kommt in der Realität so gut wie nie vor – die Busleute wollen ja Geld verdienen und die Bergrettung muss ein anderer machen…
- Wetter: Checkt im Vorfeld das Wetter und tut das über lokale Wetterseiten oder Ansprechpartner bei den i-Sites, Shuttleanbieter etc.. Grundsätzlich müsst ihr immer damit rechnen, dass sich das Wetter unterwegs schnell ändern kann! Daher sind auch die Regenjacke und das Zwiebelprinzip absolute Pflicht. Wir hatten großes Glück mit dem Wetter, im Zweifel muss jede/r unterwegs selbst entscheiden, ob ein Weiterlaufen Sinn macht.
- Anfahrt: Ich empfehle allen (Miet-)Autofahrern, die oben beschriebene Variante: Parkt mit dem Auto am Ketetahi Carpark, nehmt von dort ein One Way Nationalpark Shuttle, lauft den Crossing in eurer Geschwindigkeit bis zu eurem Auto – ihr müsst weder auf jemanden warten, noch euch sputen. Dieses Shuttle müsst ihr unbedingt vorab buchen!
- Für alle Nicht-Motorisierten werden Shuttles (vom gleichen Anbieter) von den Hotels im Nationalpark Village angeboten, zum Start- und vom Endpunkt.
- Startet früh (wir haben das Shuttle um 7 Uhr gebucht), der Track kann echt voll werden, je später die Uhrzeit, desto mehr Menschen sind unterwegs (was besonders an den Engstellen und bei den Herausforderungen schwierig werden kann). Und mit einem frühen Start seid ihr auch zeitlich flexibler.
- Es gibt an mehreren Stellen unterwegs Toiletten, nutzt diese, bevor ihr sie „ernsthaft“ braucht. Die Distanzen dazwischen sind teilweise lang. Achtung: Sie sind ohne Toilettenpapier – das solltet ihr daher mitnehmen.
- Herausforderungen: Der schwierigste Teil des Crossings sind die Devils Staircases und der Aufstieg zum Red Crater. Ist das Wetter extrem schlecht (Regen, Nebel, Sturm, Gewitter), solltet ihr wirklich überlegen, vor diesen Stellen umzukehren. Keine Sorge, diverse Warnschilder weisen euch unterwegs darauf hin, ihr könnt diese Punkte nicht verpassen. Weniger problematisch (mit den richtigen Schuhen) fanden wir den Abstieg zu den Emerald Lakes, allerdings hatten wir beste Sicht, keinen Wind und aufgrund des frühen Startzeitpunkts nicht allzu viele andere Wanderer (hierzu lohnt es sich, dann doch einmal ein YouTube-Video bei anderen Bedingungen anzuschauen).
- Lasst euch von den diversen Warnungen (und/oder Videos) nicht entmutigen! Wenn ihr diese Tipps berücksichtigt, das Wetter ok ist und ihr so wie ich durchschnittlich fit seid, wird diese Wanderung für euch hoffentlich ein ähnlich beeindruckendes und unvergessliches Erlebnis sein wie für uns.
Kommentar verfassen