Nachdem wir die Gargano-Halbinsel im Norden Apuliens (siehe: Gargano: der vielseitige Sporn Italiens) und Salento im Süden (siehe Salento: der italienische Stiefelabsatz) besucht haben, ist nun die Mitte Apuliens an der Reihe. Eine Region, die wohl kein Apulien-Reisender auslässt, ist das Valle d’Itria mit dem weltbekannten Alberobello. Doch das Tal hat noch mehr zu bieten!
Alberobello: Stadt der Zipfelmützen
Besondere Übernachtungs-Locations sind einfach toll und nachdem wir eine Nacht in einer Höhle in Matera (siehe Matera: steinerne Schönheit in Basilicata) gehaust haben, wollten wir in Alberobello in einem Trullo wohnen. Trulli, das sind die typischen Rundhäuser in Apulien, oftmals als Zipfelmützen- oder Schlumpf-Häuser beschrieben. Ihr findet sie in ganz Apulien (und übrigens auch in anderen Ländern), im Valle d’Itria und besonders in Alberobello haben sie die höchste Dichte, weshalb die Stadt zu den UNESCO-Weltkulturerbestätten gehört. Die Steindächer der Trulli sind traditionell trockengemauert, angeblich um sie beim Besuch der Steuereintreiber schnell abbauen zu können.
Früher lebten hier eher die ärmeren Leute oder die Trulli dienten als Feldscheune oder Stall. Wie die Höhlen von Matera erleben auch die Trulli im Zuge des Tourismus eine Renaissance als schmuckvolle Übernachtungsstätten. Wir finden unseren Trullo ebenfalls klasse und fühlen uns wie in einem „Hobbit-Haus“, alles ist rund und die Durchgänge zwischen den einzelnen Räumen sehr niedrig.
Auch in Alberobello müssen Besucher ihr Auto am Altstadtrand abstellen (Großparkplätze an der Via Indipendenza) und dann einfach immer der Masse folgen. Ihr landet zwangsläufig auf dem Largo Martellotta, der Alberobello in zwei Teile teilt. Auf dem Largo reiht sich ein (nicht wirklich einladendes Touri-)Restaurant ans andere, aber da die Massen ja essen und trinken wollen, sind auch diese Restaurants tagsüber gut gefüllt. Vor allem links den Hügel hoch (Viertel Rione Monti) schieben sich in der Hochsaison tagsüber die Massen durch die engen Gassen, in denen sich ein Souvenirshop am anderen befindet. Vom Flair bleibt da nicht viel übrig, die Massen bleiben bis in die späten Abendstunden. Lediglich am frühen Morgen finden wir es hier erträglich und laufen dann auch zur Kirche Sant’Antonio di Padova, dem einzigen zweistöckigen Trullo. Klar, auch uns gefallen die Trulli gut, mit ihren weißen Körpern und grauen Dächern, kein Wunder ist es hier so voll. Die Zeichen auf den Dächern dienten übrigens früher zum einen als eine Art Hausnummer, zum anderen sollten sie böse Geister und Blicke abhalten. Heute sind sie oftmals eher eine Art „Touristen-Gag“.
Einiges angenehmer ist es tagsüber im Viertel Rione Aia Piccola auf der anderen Seite des Largo Martellotta (wo sich zum Glück auch „unser“ Trullo befindet). Hier leben auch Einheimische, die Trulli- und damit die Touristen-Dichte ist weniger hoch. Ihr solltet allein schon wegen der schönen Aussichtspunkte z.B. an der Via Brigata Regina, in dieses Viertel laufen, oder auch um ein hervorragendes Eis oder eine Granita im „La Bottega del Gelato“ zu genießen.
Unser Fazit zu Alberobello: Sehenswert auf jeden Fall, aber in der Hochsaison für uns nur morgens bis 10 Uhr erträglich. Die Übernachtung im Trullo war schön, könnt ihr allerdings auch anderswo haben. Entscheidet selbst…
Locorotondo: I borghi piu belli d’Italia
Wie auch Alberobello gehört das Kleinstädtchen Locorotondo zu den I borghi piu belli d’Italia – zu den schönsten Dörfer Italiens. Es ist aber weit weniger bekannt, zum Glück, denn es ist lange nicht so voll hier. Schon der Anblick aus dem Tal auf das weiße Dorf über den Weinterrassen und Olivenhainen ist sehr malerisch (Anfahrt aus Richtung Martina Franca). Uns fallen die schmalen „Reihenhäuser“ mit ziemlich steilen Giebeldächern auf, sie werden „Cummerse“ genannt und sind eine lokale Besonderheit.
Die Altstadt ist nahezu kreisrund, wir betreten sie durch die Porta Nuova im Osten. Und dann heißt auch hier das Motto: Treiben lassen! Die engen Gässchen sind wunderhübsch und es scheint, als nähme fast jedes Haus an einer Art „lokalem Blumenwettbewerb“ teil. Überall grünt und blüht es! Am anderen Ende der Stadt liegt das eigentliche Haupttor, die Porta Napoli. Vom Park dahinter haben wir eine tolle Sicht in das Valle d’Itria mit seinen Trulli, Weinbergen und Olivenhainen. Wer noch eine nette kulinarische Adresse besuchen will: Das L’Arco dei Tipici ist ein Feinkostgeschäft und kleines Restaurant am Rand der Altstadt in der Nähe der Porta Nuova, wo sich allerlei lokale Köstlichkeiten kaufen und probieren lassen.
Locorotondo hat uns also gut gefallen, leider haben wir das nicht weit entfernte Cisterino, das auch zu Italiens schönsten Dörfern gehört – nicht mehr besuchen können.
Martina Franca: die unbekannte Schöne
Statt dessen lag Martina Franca auf unserem Weg und von dieser Stadt waren wir sehr positiv überrascht. Sie ist quasi das Zentrum des Valle d’Itria und inmitten der ganzen „schönen Dörfer“ mit Abstand am wenigsten touristisch, wir sehen fast keine Urlauber. Wie auch Lecce ist Martina Franca eine Stadt des Barocks, hier in der Provinz weniger „kitschig“ und prunkvoll als Lecce. Im Vergleich zu den umliegenden „dörflichen Strukturen“ finden sich aber Martina Franca viele imposante Bürgerhäuser einer städtischen Gesellschaft, die jetzt am Samstag das Flanieren und einen vormittäglichen Caffé genauso genießen wie wir. Vor unseren Augen findet auch noch eine Hochzeit in der Basilica di San Martino statt und wir fühlen uns bestens unterhalten!
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