Shinrin Yoku: erholsames Waldbaden

Ich liebe den Wald und ich bin ein großer Japan-Fan – irgendwann musste mir da Shinrin Yoku, japanisch für Waldbaden, „über den Weg laufen“. Waldbaden gibt es auch in Europa schon seit Jahrhunderten. Schon Hildegard von Bingen prägte im Mittelalter den Spruch: „Geh einfach hinaus ins Grün des Waldes und du wirst Heilung erfahren, allein indem du dort bist und atmest“. Auch Sebastian Kneipp schickte seine Patienten regelmäßig zum Waldbaden, auch wenn es damals noch nicht so hieß.

Waldbaden ist also nichts Neues und auch die meisten von uns wissen aus eigener Erfahrung: Waldluft tut uns gut. Die Luft ist sauerstoffreicher, feuchter und reiner, weil die Pflanzen die Luft filtern. Außerdem ist es in Wäldern deutlich ruhiger, sprich weniger „lärmverschmutzt“, das Waldklima ist ausgeglichener – im Sommer kühler, nachts und im Winter wärmer –, und die Bäume schützen uns vor Wind. Die Japaner sind seit Ende des letzten Jahrhunderts noch einen Schritt weiter gegangen und mittlerweile wird weltweit an Universitäten zu dieser Frage geforscht: Welchen Einfluss hat ein Waldaufenthalt auf die Gesundheit der Menschen und warum ist dies so? Erstaunliche Erkenntnisse wurden hier in den letzten beiden Jahrzehnten zusammengetragen und haben dazu geführt, dass Waldbaden unter anderem in Japan und Südkorea mittlerweile schulmedizinisch anerkannt ist und auf Rezept verschrieben wird. In Südkorea ist Waldbaden sogar gesetzlich verankert, jeder Bürger hat jährlich einen Anspruch darauf.

Es gibt mittlerweile zahlreiche, sehr lesenswerte Fachliteratur dazu (Literaturtipps siehe unten). Zusammengefasst hat ein Waldaufenthalt folgende positive Auswirkungen auf den Körper (siehe auch: https://www.natoursinn.de):

  • Ein Waldaufenthalt reguliert den Blutdruck und die Herzfrequenz.
  • Waldbaden reduziert Stress: die Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Kortisol sinken. Während im Arbeitsleben und stressigen Alltag das sympathische System (steuert u.a. Kampf- oder Flucht-Reaktion) dominiert, stärkt Waldbaden das parasympathische System (verantwortlich für Ruhe und Erholung).
  • Eine weitverbreitete Nebenwirkung von Stress sind Schlafstörungen. Nach dem Waldbaden erhöht sich die Schlafdauer und -tiefe und die Schlafqualität steigt.
  • Waldbaden stärkt die Abwehrkräfte und das Immunsystem: Japanische Studien haben gezeigt, dass die Anzahl und Aktivität der natürlichen Killerzellen im Blut nach einem Waldaufenthalt steigen.

Für das Warum diskutieren die Forscher verschiedene Ansätze, die zwei wichtigsten möchte ich stellvertretend nennen:

  • Die Waldluft ist voller Phytonzide: Alle Pflanzen sondern diese biochemischen Botenstoffe ab, um Nützlinge anzulocken, Schädlinge (Fressfeinde, Krankheitserreger) abzuwehren und um miteinander zu kommunizieren. Hauptbestandteil der Phytonzide sind die Terpene, die wir als Duftstoffe oder ätherische Öle kennen. Wenn wir uns im Wald bewegen, nehmen wir diesen Cocktail aus Substanzen vor allem über unsere Lunge auf. Diese „natürliche Aromatherapie“ setzt auch in unserem Körper biochemische Prozesse in Gang und regt unser Immunsystem an.
  • Ähnliches gilt für die Waldmikroben, also Mikroorganismen, die insbesondere im Waldboden vorhanden sind. Sie interagieren mit unserem körpereigenen Mikrobiom über unsere Schleimhäute und sorgen ebenfalls für Reaktionen unseres Körpers und Immunsystems.

Auch auf die Psyche wirkt sich Waldbaden nachweislich positiv aus:

  • Menschen haben das biologische Bedürfnis, mit der Natur in Verbindung zu treten. Da wir Teil der Natur sind, wirken Naturerfahrungen und die natürliche Schönheit wohltuend und heilend auf uns. Forscher sprechen hier von der Zurück-zur-Natur-Theorie und Biophilie (= Liebe zum Leben)
  • Ein Waldspaziergang erleichtert das Abschalten, wir gewinnen Abstand von unserem Alltag und dem allgegenwärtigen „Techno-Stress“, hier sprechen die Forscher vom wohltuenden Effekt des Being-away
  • Auch auf die kognitiven Fähigkeiten hat ein Waldbad interessanterweise Auswirkungen: Bereits nach einem 50-minütigen Waldaufenthalt verbessert sich die Gedächtnisleistung signifikant, denn sie korreliert mit Erholungsgefühlen.

Was tut man nun beim Waldbaden? Eigentlich genau das, was Hildegard von Bingen empfohlen hat: Man bewegt sich in gemächlichem Tempo, achtsam und mit allen Sinnen durch den Wald und atmet die gesunde Luft ein. Unterstützt wird dieser Waldspaziergang durch Atem-, Achtsamkeits- und Entspannungsübungen, viele davon sind angelehnt an die Traditionelle Chinesische Medizin.

Wer jetzt neugierig geworden ist, der ist herzlich willkommen, Waldbaden einmal auszuprobieren. Mehr Informationen zum Waldbaden und Termine für Shinrin Yoku im Taunus findet ihr auf meiner Homepage: https://www.natoursinn.de

Und hier noch einige Literaturtipps dazu:

  • Dr. Yoshifumi Miyazaki (Universität Chiba, Japan): Shinrin Yoku – heilsames Waldbaden
  • Dr. Qing Li (Nippon Medical School, Japan): Die wertvolle Medizin des Waldes
  • Peter Wohlleben (Forstwissenschaftler aus der Eifel): Das geheime Leben der Bäume.
  • Clemes G. Arway (Biologe aus Österreich): Der Biophilia Effekt – Heilung aus dem Wald

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