Von La Spezia aus (siehe Cinque Terre: fünf Grazien im Wettstreit) fahren wir weiter in die Toskana. Toskana, das heißt für mich idyllische Landschaften mit Weinbergen, Olivenhainen und Zypressenalleen, malerische Dörfer und geschichtsträchtige Städte mit unermesslichem kulturellen Erbe, kulinarische Köstlichkeiten und hervorragende Weine. Um all das genießen zu können, haben wir eine Unterkunft in Montespertoli mitten im Chianti-Gebiet gebucht, um von dort aus Sternfahrten nach Lucca, Pisa und Volterra zu unternehmen. Und unsere Gastgeber hatten tolle Tipps zum Essengehen und Einkaufen im Chianti-Gebiet!
Lucca
Unser erstes Etappenziel ist das geschichtsträchtige Lucca. Die Stadt liegt nur 20 Kilometer entfernt von Pisa, sprichwörtlich im Schatten des Schiefen Turms. Völlig zu Unrecht finden wir, vom städtebaulichen Gesamtbild ist die Stadt für uns viel schöner als ihre weltbekannte Schwester, bei deutlich weniger Touristen. Schon Etrusker und Römer haben hier ihre Spuren hinterlassen und im Mittelalter zählte die Stadt vor allem aufgrund ihrer Textilindustrie zu den einflussreichsten Städten Europas. Die Altstadt ist umgeben von einer vollständig erhaltenen Stadtmauer, die nur an ehemals vier, jetzt sechs Toren Einlass gewährt. Die über vier Kilometer lange Stadtmauer ist oben so breit, dass sich auf ihr großzügige Spazier- und Radwege, Baumalleen und Grünflächen befinden. Viele Besucher mieten sich ein zwei- oder vierrädriges Fahrrad, um die Stadt auf der Mauer in 12 Metern Höhe zu umkreisen, aber auch zahlreiche Einheimische nutzen die Stadtmauer zum Flanieren, Joggen oder Tai Chi.
Innerhalb der Stadtmauer liegen verwinkelte mittelalterliche Gassen, die sich immer wieder zu großen Plätzen wie der Piazza dell‘ Anfiteatro öffnen, romanische Kirchen wie San Frediano mit ihrem Fassadenmosaik und die beeindruckende Kathedrale von Lucca (Duomo di San Martino), wo sich an der prächtigen Marmor-Fassade allerlei, zum Beispiel ein Kalender, entdecken lässt. Prägend für das Stadtbild sind vor allem auch die imposanten mittelalterlichen Geschlechtertürme der einflussreichsten Familien. Einen davon zu besteigen ist Pflicht, um die ganze terrakotta- und sandfarbene Schönheit der Stadt von oben bestaunen zu können. Wir entscheiden uns für den bekanntesten Turm, den mit Steineichen bewachsenen Guinigiturm. Nach über 200 Treppenstufen öffnet sich oben ein traumhafter 360-Grad-Blick über die Dächer der Altstadt bis hin zu den Ausläufern der Apuanischen Alpen.
Neben diesen kulturellen Schätzen lassen wir einfach die authentische Atmosphäre von Lucca auf uns wirken, schlendern durch die Altstadtgassen und nehmen in einer Bar ein zweites Frühstück zu uns. Übrigens ist es auch kein Problem, in Lucca sogar einen kostenlosen Parkplatz zu finden. Unweit der Altstadtmauer, in der Via dei Publicci Macelli, werden wir sofort fündig. Wir können jedem nur empfehlen, nicht nur Pisa zu besuchen, sondern auch einen Abstecher nach Lucca zu machen!
Pisa
Es gibt Orte, die jeder kennt und die man mal gesehen haben sollte, das gilt sicherlich auch für Pisa mit seinem Schiefen Turm. Also ist dies unser nächstes Ziel und schon von weitem kann man den berühmten weißen Turm aus der Stadt ragen sehen. Da die Technik streikt, ist der sonst kostenpflichtige Parkplatz „Via Piave“ netterweise heute gratis und wir bewegen uns, immer dem Touristenstrom folgend, durch die Stadtmauer zur Piazza dei Miracoli im Norden des Stadtzentrums. Da steht er, der freistehende Campanile (Glockenturm) aus strahlend weißem Carrara-Marmor des Doms von Pisa, UNESCO-Weltkulturerbe. Deutlich zu erkennen ist der Versuch, den oberen Teil des 55 Meter hohen Turms „schief“ aufzusetzen, damit dieser nicht noch mehr Schlagseite bekommt. Dennoch beträgt die Schieflage rund vier Grad oder fast vier Meter von der Spitze zum Boden. Fast so interessant wie den Turm selbst anzuschauen ist es, die Touristen bei ihren „Was-kann-ich-mit-dem-Schiefen-Turm-alles-anstellen“-Fotokreationen zu beobachten. Den Verantwortlichen sei Dank dürfen die Grünflächen rund um Turm und Dom nicht betreten werden, weshalb jeder sein Selfie fast ohne störende Fremde schießen kann.
Natürlich wollen wir den Turm auch besteigen, zumindest drei von uns wollen das, die vierte ist nicht schwindelfrei, muss aber trotzdem mit. Wer das tun will, tut gut daran, das Zeit-Ticket vorab zu buchen (maximal 20 Tage vorab möglich, in der Saison sind die Tagestickets schnell ausverkauft). Aus Angst vor einem Anschlag sichert bewaffnetes Militär das Gelände, Taschen müssen abgegeben werden, am Turmeingang werden wir durchsucht und durchleuchtet und wir erhalten eine ausführliche Sicherheitseinweisung (Kinder unter 8 Jahren dürfen nicht hinauf). Wegen Corona wird uns ein „Beeper“ um den Hals gehängt, der ein Signal gibt und rot leuchtet, sobald sich ein anderer Besucher mit Beeper mehr als 1,5 Meter nähert. So ausgestattet dürfen wir gruppenweise die enge Treppe hinauf (und später auch nur gruppenweise wieder hinunter). Komisch ist das Gefühl schon, selbst im „Treppenhaus“ spürt man nicht zuletzt daran, an welcher Seite die Stufen ausgetreten sind, die Schieflage des Turms. Oben ist das natürlich „am schlimmsten“ (wenngleich natürlich alles gesichert ist) und deshalb will unsere Große auf der unteren Aussichtsebene bleiben und nicht bis zum Glockenturm hinauf. Schade, denn die Aussicht auf Dom und Stadt ist toll (und mein Mann kontrolliert, ob das Auto noch auf dem Parkplatz steht) und ganz oben ist auch etwas mehr Platz als auf der unteren Aussichtsebene.
Wieder unten angekommen, schlängeln wir uns zwischen den Souvenirbuden und Touristengruppen durch die umliegenden Straßen, mir ist es definitiv (und nicht nur wegen Corona) zu voll und trubelig hier und es passt natürlich ins Bild, dass wir hier das schlechteste (wenngleich essbare und nicht teure) Essen unseres Urlaubs zu uns nehmen. Wir wollen der Stadt aber noch eine Chance geben und überqueren den Fluss Arno, um das Pisa der Einheimischen auf uns wirken zu lassen. Zwar finden wir hier Keith Harings „Tuttomondo“, ein 180 Quadratmeter großes Wandbild mit 30 Charakteren, sein letztes großes Werk. Aber wir spüren wir nichts von der Atmosphäre, die uns in Lucca in ihren Bann gezogen hat. Vielleicht liegt es auch daran, dass es sehr heiß ist und wir uns alle nach unserem Pool sehnen, aber die Stadt geht nicht so richtig an uns. Wir geben zu: Unser Herz haben wir in Pisa nicht verloren, wir haken die Stadt samt Turm im Sinne des Mottos „1.000 places to see before you die“ ab.
Volterra
Eigentlich wollten wir San Gimignano besuchen, das „mittelalterliche Manhattan“ mit seinen Geschlechtertürmen. Aber unsere Gastgeber (siehe unten) haben uns überzeugt: Schaut euch San Gimignano nur aus der Ferne an, fahrt lieber nach Volterra, da haben alle mehr davon! Da ihre Tipps sonst hervorragend waren und wir unsere Pisa-Erfahrung mit Touristenmassen im Hinterkopf haben, beherzigen wir diesen Rat und haben es nicht bereut. Was wir allerdings bereut haben, ist, zu spät aufgebrochen zu sein. Bis wir nach einem ausgiebigen Frühstück und einer ausgedehnten Überlandfahrt samt kurzem Blick auf San Gimignano in Volterra angekommen sind, war es nicht ganz einfach, einen Parkplatz zu finden. Also besser früh aufbrechen oder erst später nachmittags kommen!
Schon aus der Ferne ist die alte Etruskerstadt auf dem 550 Meter hohen Bergrücken gut zu sehen. Teile der imposanten Stadtmauer und das Eingangstor Porta all’Arco entstammen der etruskischen Zeit, die ihre Hochphase im 4. Jahrhundert vor Christus hatte. Wer sich für die Etrusker interessiert, sollte sich das örtliche etruskische Museum (Museum Guarnacci) anschauen. Später hinterließen die Römer hier ihre Spuren, wie sich gut am römischen Theater unterhalb der Stadtmauer an der Viale Franco Porretti erkennen lässt. Wir betreten die Stadt durch die Porta a Selci – auch in etruskischer Zeit gab es hier schon ein Tor. Das heutige entstammt jedoch der Zeit der Medici, wie die daneben liegende Festung, die heute – wir können es kaum glauben – als Gefängnis dient.
Jenseits des Tores öffnen sich die Gassen der mittelalterlich geprägten Altstadt. Und wir können nachvollziehen, warum unsere Gastgeber uns diese Stadt ans Herz gelegt haben: In den höchst malerischen Gassen gibt es an jeder Ecke etwas zu bestaunen, sehen, riechen, schmecken und natürlich kaufen. Natürlich gibt es hier auch die obligatorischen Souvenirshops und viele Touristen, aber eben auch das Volterra der Künstler mit vielen Alabaster-Werkstätten und dazugehörigen Galerien (Alabaster wurde schon in etruskischer Zeit hier abgebaut und bearbeitet), das Volterra der Einheimischen mit kleinen Tante-Emma-Läden und das Volterra für Genießer. Und hier steigt uns gleich ein ganz besonderer Duft in die Nase: Trüffel! Die (Stein-)Eichen-Wälder um Volterra sind ein Trüffelparadies und entsprechend oft finden sich Produkte des wertvollen Pilzes in den hiesigen Speisen. Wir können natürlich nicht widerstehen und genehmigen uns höchst leckere Trüffel-Sandwiches, samt Trüffelbutter, Trüffelkäse, Trüffelsalami und natürlich geriebenem Trüffel – ein Traum! Die nette Besitzerin der Boutique del Tartufo beantwortet gerne unsere Fragen rund um die Delikatesse und reibt eine extra Portion des Edelpilzes auf unser Sandwich. Neben Trüffelprodukten finden sich in Volterra viele Wurst-, insbesondere (Wild-)Schweinspezialitäten und ein Restaurant meldet unmissverständlich: „Vegano – stammi lontano“, Veganer, bleibt lieber weg!
Kultureller Mittelpunkt der Altstadt ist die Piazza dei Priori mit dem Palazzo dei Priori, seit dem 13. Jahrhundert das Rathaus der Stadt und ältester Kommunalpalast der Toskana. An dessen Front, direkt unter die Wappen der ehemaligen florentiner Statthalter, lassen wir uns nieder und verspeisen genussvoll unser Trüffelsandwich, während die Mädels eine YouTube-Sequenz checken. Die Cineasten unter euch wissen sicher Bescheid: In den „Twilight„-Romanen ist Volterra der Sitz der mächtigsten aller Vampir-Familien, der Volturi, ein Teil der Episode „New Moon“ spielt in Volterra. Zwar ähnelt der im Film gezeigte Palazzo dem von Volterra, beim genauen Hinschauen erkennt man jedoch, das woanders gedreht wurde, nämlich in Montepulciano.
Anschließend gehen wir Mädels noch ein bisschen shoppen, bevor wir den Heimweg nach Montespertoli antreten. Ich glaube, es war herauszulesen: Volterra hat uns extrem gut gefallen, von diesen drei Städten mit Abstand am besten!
Villa La Cappella – Gastfreundschaft pur und zahlreiche Tipps inklusive!
Normalerweise schreibe ich nicht allzu viel über unsere jeweiligen Unterkünfte, bei der Villa La Cappella mache ich eine Ausnahme, weil sie etwas Besonderes ist. Dieses liebevoll gepflegte Landhaus liegt inmitten des Chianti-Gebiets in Montespertoli, der Blick aus unserem Apartment über den Pool und die Weinberge ist so, wie Urlaub in der Toskana aussehen sollte. Das deutsch-italienische Besitzerpaar Diana und Patrizio strahlen eine Herzlichkeit aus, die ihresgleichen sucht und noch nie wurden wir so kompetent, umfassend und individuell beraten und betreut wie in diesem Landhaus. Ihr wollt nach Florenz? Patrizio holt eine Karte hervor, zeichnet Parkmöglichkeiten, einen Restaurantvorschlag, die beste Gelateria und weitere Tipps ein (siehe: Ein Tag in der Kunstmetropole Florenz). Eine Idee für ein Abendessen gefällig? Diana hat ihn parat: Fahrt nach Certaldo, parkt hier und nehmt die Standseilbahn (Funiculare) in die Altstadt Certaldo Alto auf dem Hügel (auch zu Fuß machbar). Lauft durch die mittelalterlichen Straßen, schaut euch die beeindruckenden Stadttore und den Palazzo Pretorio an und genießt den Ausblick über die Chianti-Hügel ins nahe San Gimignano, anschließend könnt ihr in der Bar Boccacio landestypisch und äußerst günstig Essen gehen. Oder fahrt nach San Casciano, ein hübsches Kleinstädtchen fast ohne Touristen, und kehrt in die Cantinetta del Nonno ein – bestes italienisches Essen „wie beim Großvater“ zu günstigen Preisen auch hier garantiert (Trüffel-Spaghetti für sagenhafte 12 Euro). Auch Einkaufstipps hat Diana zur Hand: In der örtlichen Kooperative Cantina Sociale Colli Fiorentini könnt ihr Wein jeder Preisklasse (lustigerweise auch direkt aus der „Weintankstelle“) und außerdem Olivenöl kaufen. Oder fahrt nach San Quirico in die Vecchia Norcineria, dort stellt seit 1960 ein mittlerweile sehr betagtes Ehepaar köstliche Salami und Schinken her. Allein der Besuch ist schon ein Erlebnis, die alten Herrschaften freuen sich sehr über jegliches Interesse und zeigen gerne ihr Sortiment, die Wurstküche, Kühlkammer und Reiferaum, sie sprechen kein Wort englisch, aber wir haben uns mit Händen und Füßen bestens verständigt. Allein für solche Tipps lohnt sich die Übernachtung in der Villa La Cappella!
Was wir zeitlich nicht mehr geschafft haben, ist ein Besuch der Pasta-Fabrik Martelli in Lari – das steht beim nächsten Mal sicher auf dem Programm!
Liebe Heide,
Pisa hat uns bei unserem Toskana Aufenthalt auch nicht gefallen. Total überlaufen. Beim nächsten Mal werden wir Lucca ansteuern, das kennen wir noch nicht.
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Lieber Andreas, macht das! Lucca gefällt euch sicher auch besser; auf jeden Fall hat es deutlich weniger Touristen!
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