Lange hatte ich im Vorfeld überlegt, welche der fünf Cinque-Terre-Orte der optimale Unterkunftsort für uns ist. Letztendlich fiel die Wahl, allerdings vorrangig wegen des traumhaften Ausblicks vom Apartment, auf Riomaggiore. Das haben wir nicht bereut (siehe Riomaggiore: unser Cinque-Terre-Urlaub beginnt!). Aber natürlich wollten wir auch die anderen Orte kennenlernen und zwangsläufig kommt schnell die Frage auf: Welcher Ort ist der Schönste?
Manarola
Von Riomaggiore erreichen wir nach nur vier Minuten Fahrt mit dem Cinque Terre Express Manarola. Auch hier passieren wir auf dem Weg vom Bahnhof in den Ort einen Tunnel, dieses Mal illustriert mit Fotos von den fünf Orten und sonstigen Besonderheiten der Cinque Terre – erkennbar überall der Gedanke, die eher unansehnlichen Tunnel für die Besucher interessant zu gestalten.
Am Ende des Tunnels stehen wir schon inmitten dieses zweitkleinsten Ortes. Der Weg hinunter zum Hafen führt über den etwas seltsam nach „Präsentierteller“ anmutenden erhöhten Platz Piazza Capellini. Anders als in den anderen Orten scheinen in der „Hauptstraße“, der Via Renato Birolli, tatsächlich auch noch viele Einheimische zu wohnen, statt Autos parken hier zahlreiche Boote. Der Hafen liegt – entgegen der anderen Dörfer am Meer – ein „Stockwerk tiefer“ als der eigentliche Ort. Nur kleine Treppen führt in das Hafenbecken, die Boote werden mit einem Kran nach oben gezogen. Oberhalb des Hafenbeckens lässt es sich nett auf Steinbänken neben den Booten verweilen, noch schöner ist der Weg die Steilküste entlang zum Aussichtspunkt Punta Bonfiglio. Alle fünf Meter steht hier mindestens ein Fotograf, um die wunderschöne Szenerie am Steilhang gegenüber festzuhalten, insbesondere beim Sonnenuntergang, wenn die letzten Strahlen die warmen Farben der Häuser noch einmal verstärken. Selbst an unserem Besuchstag, mit Gewitterstimmung, war der Blick einfach fantastisch!
Corniglia
Der nächstgelegene Ort ist Corniglia, das kleinste Dorf. Es liegt als einziges nicht direkt am Meer und wird daher – das ist durchaus angenehm – von weniger Touristen besucht und wirkt authentischer. Der Bahnhof befindet sich knapp über Meeresniveau, weshalb man sich den Besuch von Corniglia entweder über fast 400 Treppenstufen nach oben „verdienen“ muss, oder einen kleinen Bus nehmen kann (in der Cinque Terre Card inbegriffen und natürlich mit dem Zug getaktet), der jedoch sehr schnell voll wird – nicht zuletzt diese „Hürden“ halten wohl einige Besucher ab.
Oben angekommen finden sich in der Fußgängerzonen-Hauptstraße überraschend viele Eisdielen und die übliche touristische Infrastruktur, schon in den Nebenstraßen jedoch nur noch Wohngebäude (und AirBnBs) und kaum mehr Touristen. Wir lassen uns auf der Piazzetta Largo Taragio erst einmal im Caffè Matteo nieder und genießen ein zweites Frühstück – für 4,50 Euro bekommen wir einen Cappucchino, ein Glas frisch gepressten Orangensaft und ein Cornetto – auch hier zeigt sich wohl die Lage von Corniglia im Schatten der vier Schwestern. Weiter geht es die Via Fieschi entlang zur Aussichtsterrasse Santa Maria, von der aus die Steilküste, mit Manarola in der Ferne, sogar mit kostenlosem Fernglas, bestaunt werden kann. Was uns im Ort noch auffällt, sind die zahlreichen Brunnen, an denen man Trinkwasser zapfen kann (immer erkennbar am Hinweis „Acqua Potable“). Das empfiehlt sich sehr, wenn man anschließend wie wir zu einer Wanderung aufbricht!
Sentierro Azzurro
Den noch schöneren Ausblick auf Corniglia hat man, wenn man den Wanderweg Sentiero Azzurro nach Vernazza läuft, was wir auch tun (kostenpflichtig: 7,50 Euro, oder Cinque Terre Card). Der Wanderweg führt knapp drei Kilometer lang auf und ab entlang der Steilküste, durch Weinberge, Olivenhaine, Kiefern- und Steineichenwälder, Ginster und sonstige mediterrane Vegetation, angenehmerweise oft im Schatten, aber über zahlreiche schweißtreibende Stufen. Immer wieder bieten sich fantastische Ausblicke auf die Steilküste, Corniglia und Vernazza. Es empfiehlt sich, diesen Weg in Corniglia zu starten, denn ab Meeresniveau von Vernazza aus ist deutlich mehr Steigung zu überwinden. Am höchsten Punkt, dem Örtchen Prevo ungefähr in der Mitte des Weges, kann auch Rast gemacht werden.
Vernazza
Nach etwa einer Stunde Wanderung sehen wir die ersten Häuser von Vernazza – was für ein traumhafter Ausblick vom Wanderweg aus! Über die Agaven, Feigenkaktusse und Zitronenbäume hinweg blicken wir auf den Ort, der auf einer schmalen Landzunge liegt, an dessen Spitze das Castel Doria. Diese tolle Lage ist wohl der Grund dafür, dass der Ort von vielen als der Schönste bezeichnet wird – das zeigt sich aber auch im Besucheransturm. Hier sind die engen Gassen und die Hauptstraßen Via Roma und Via Visconti noch voller, es gibt noch mehr touristische Infrastruktur und der Ort wirkt auf uns eher wie ein kleines Freilichtmuseum samt Shopping- und Snackparadies. Das Gedränge verteilt sich am Meer auf der Piazza Marconi an der Kirche Chiesa di Santa Margherita sowie der Piazza direkt am Hafen etwas besser. Letztere wird bei unserem Besuch mit einem Band teilweise abgesperrt (was nicht alle davon abhält, sich von der Gischt nassspritzen zu lassen) – zu stark ist die Brandung und zu hoch klatschen die Wellen bis auf die Piazza. Man befürchtet wohl, dass insbesondere Kinder ins Meer gezogen werden könnten. Wellentechnisch ruhiger geht es hingegen am kleinen Stadtstrand zu, der geschützt vor der Piazza Marconi liegt. Aber hier zu Baden hat etwas von „Präsentierteller“, weshalb der Strand vielleicht auch bei unserem Besuch wenig genutzt wird.
Monterosso al Mare
Der letzte – oder erste – der fünf Orte ist Monterosso al Mare, von der Einwohnerzahl hinter Riomaggiore das zweitgrößte Dorf, das allerdings viel größer scheint. Hier gibt es im Vergleich zu den anderen Orten deutlich mehr Platz, weshalb Monterosso landschaftlich weniger spektakulär und sehr viel weitläufiger ist. Der Ort ist zweigeteilt, mit dem Zug kommt man im neueren Teil namens Fegina an, direkt an einer langen Uferpromenade vor dem einzigen „richtigen“ Sandstrand der Cinque Terre (samt Infrastruktur wie Schirmen, Liegen und zahlreichen Cafés). Am westlichen Ende der Uferpromenade befindet sich auch ein großer Parkplatz, eine Alternative zum Parken in La Spezia.
Das östliche Ende des Fegina-Strands und der Promenade markiert eine Landzunge, wo man entweder durch einen Tunnel direkt in die Altstadt laufen, oder aber den sehr viel schöneren Weg über den Torre Aurora und die Aussichtsterrasse unterhalb des Klosters wählen kann. Von hier aus bietet sich ein toller Ausblick auf der einen Seite auf Fegina, auf der anderen Seite auf die Altstadt von Monterosso, vor der sich ebenfalls ein kleiner Strand befindet.
Der mittelalterliche Ortsteil beginnt mit der weitläufigen Piazza Garibaldi und dem Rathaus, bevor es in in die engen Altstadtgassen geht, deren Häuser ebenso bunt sind wie die der vier Schwestern. Auch schon in den anderen Dörfern ist uns das typische schwarz-weiße Streifenmuster der ligurischen Gotik begegnet, bei der Chiesa die San Giovanni Battista und dem Gebetshaus Oratorio dei Neri ist es jedoch am Schönsten. Auch in der Altstadt macht das Schlendern mehr Spaß als anderswo, hat es doch deutlich weniger Besucher hier.
Bleibt die Frage aller Fragen: Welches ist das hübscheste Dorf, welches der beste Hotelstandort? Uns fällt die Wahl sehr schwer. Monterosso hatten wir im Vorfeld als Hotelstandort sofort ausgeschlossen, waren dafür aber beim Besuch umso positiver überrascht. Dieser Ort ist sicherlich am vielseitigsten, gerade auch für Familie mit (kleinen) Kindern, die gerne an einem richtigen Strand baden wollen, es fehlt halt die spektakuläre Lage. Vernazza war uns definitiv zu voll und zu touristisch geprägt, hat aber natürlich – mit Manarola – die schönsten Fotomotive zu bieten. Corniglia erschien uns am authentischsten und war am wenigsten überlaufen, gerade für Ruhesuchende oder Wanderer könnte dies die optimale Wahl sein. Riomaggiore erscheint uns als prima Kompromiss und für alle Bedürfnisse optimal: Nicht ganz so spektakulär wie Vernazza und Manarola, aber trotzdem noch sehr fotogen, mit kleinem Strand und einer sehr guten Auswahl an Restaurants jeglicher Kategorie. Aber entscheidet selbst – Bedürfnisse und Geschmäcker sind ja bekanntlich sehr verschieden!
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