Ein ganz wesentlicher Grund für meine aktuelle Auszeit auf Island ist der aktive Vulkan Fagradalsfjall. Erst einmal in meinem Leben durfte ich einen Vulkanausbruch aus nächster Nähe erleben: vor über 30 Jahren am Stromboli auf den Liparischen Inseln. Seither bin ich „angefixt“: Gibt es etwas Beeindruckenderes, als diese Naturgewalten aus nächster Nähe zu sehen und erleben? Wenn sich ein Ausbruch mit Rumpeln in der Erde ankündigt und dann eine Lavafontäne in die Höhe schießt? Für mich Gänsehaut pur.
Vorab ein paar „nüchterne Fakten“ zur Erklärung: Das Fagradalsfjall-Gebiet liegt nahe Grindavik auf der Reykjanes-Halbinsel unweit des Flughafens Keflavik. Wer Glück hat, darf schon im Landeanflug einen Blick auf dieses Naturschauspiel erhaschen, bei mir war die Sicht leider zu schlecht. Im südöstlichen Teil dieses Gebeits am Geldingadalir findet der aktuelle Ausbruch statt. Das gesamte Fagradalsfjall-Plateau liegt genau auf dem Mittelatlantischen Rücken, wo die Eurasische und die Nordamerikanische Platte aufeinandertreffen bzw. jährlich wenige Zentimeter auseinanderdriften. Dieser Vorgang sorgt für eine permanente tektonische und magmatische Aktivität, die auf Island in Form von geothermalen Erscheinungen (z.B. heiße Quellen und Geysiren, siehe Island: Golden Circle mit Geysir, Gullfoss und Thingvellir), Erdbeben und Vulkanausbrüchen sehr deutlich zu spüren und sehen ist.
An auseinanderdriftenden Platten bilden sich typischerweise Schildvulkane (auch hawaiischer Typ genannt). Ihre Lava ist basaltisch und dünnflüssig, weshalb selten größere Explosionen, sondern vielmehr „kontrollierte Ausbrüche“ bzw. ein langsames Abfließen der Lava stattfindet, entweder aus Spalten oder aus einem Lavasee in der Caldera. Vorteil für exkursionsfreudige Vulkanliebhaber wie mich ist, dass diese Ausbrüche nicht nur sehr viel weniger gefährlich sind, sondern sich auch aus nächster Nähe gut beobachten lassen – so auch auf Island.
Schon seit Ausbruch des Vulkans am 19. März 2021 beobachte ich fasziniert das Geschehen rund um dieses Naturschauspiel und nutze dafür den Vulkane Net Newsblog, die isländischen Internetseiten Safetravel.is, Visit Reykjanes und Volcano Weather, wo u.a. Wanderwege und Parkmöglichkeiten sowie Wetterbedingungen beschrieben werden und diverse YouTube-Filme. Hier kann man wunderschön sehen, wie sich Lavafontänen bilden, die Magma aus dem Lavasee und an Spalten austritt und Lavaströme den Berg hinunter fließen. An dessen Ende und an den Seiten sind stets Menschen zu sehen, die sich dem heißen Strom bis auf wenige Meter nähern, so wie ich es bisher nur in Filmen über Hawaii bestaunt habe.
Vor Ort angekommen staune ich, wie schnell die Isländer hier eine komplette touristische Infrastruktur aus dem Boden gestampft haben. Es gibt mehrere Parkplätze links und rechts der Straße, die unter Angabe des Autokennzeichens, entweder vorab im Internet (https://parka.is/pay/geldingadalir/) oder vor Ort per Kreditkarte bezahlt werden müssen (1.000 ISK). Toiletten und „Street Food“ gibt es ebenfalls vor Ort.
Das Geschehen vor Ort ist sehr dynamisch und die Isländer reagieren sehr flexibel auf diesen Umstand. Die isländische Rettungsorganisation ICE-SAR ist tagsüber permanent vor Ort und kontrolliert auch, ob sich gefährliche Gase entwickeln (vor denen ich sehr viel mehr Respekt als vor der Lava selbst habe). Bisher begehbare Wege (Route A) wurden bereits von der Lava überflossen, neue Wege (Route C) jedoch schnell eingerichtet und die GPS-Tracks können im Internet heruntergeladen werden (Safetravel.is). Ich entscheide mich für Route C, bei der man innerhalb kurzer Zeit an der Lavazunge steht, die mittlerweile fast die wichtige Straße 427 erreicht hat.
Der Weg ist nicht zu verfehlen, erstens ist er zumindest zu Beginn breit wie eine Straße und zweitens begehen ihn viele Menschen, von Familien mit Kindern über junge Erwachsene, die mehr Augenmerk auf Mode als auf geeignetes Schuhwerk legen, bis hin zu (mehr oder weniger rüstigen) Senioren mit Wanderstöcken. Der erste Teil des Weges ist wie gesagt für alle Altersklassen begehbar und innerhalb kürzester Zeit stehe ich am Lavastrom. Oberflächig ist dieser an der Zunge abgekühlt, nur noch eine geringe Wärme geht von ihm aus (ich gestehe, ich habe ihn an einem kleinen Seitenarm angefasst), an manchen Stellen treten (Schwefel-)Gase aus. „Unterirdisch“ wird jedoch permanent nachgeliefert und es wäre höchst gefährlich, die frische Lava zu betreten.
Weiter geht es hinauf, auf den Berg Langihrygg, wo sich mittlerweile auch eine Webcam befindet. Der Aufstieg ist zu Beginn ziemlich steil und es ist mühsam, im Sand-/Schottergemisch zu laufen, nicht wenige rutschen vor allem beim Abstieg aus. Definitiv empfiehlt sich hier gutes Wanderschuhwerk! Schon entlang des Aufstiegs ist der Ausblick bei gutem Wetter fantastisch: Auf der einen Seite das Meer, dann der lange, tiefschwarze Lavastrom, der sich über diverse Hügel seinen Weg in und durch das Natthangi Tal bahnt und schließlich oben der Krater. Umkreist von diversen Drohnen und immer wieder Helikoptern steige ich nach oben. Etwa alle 20 Minuten halten alle inne: Der Vulkan liefert eine weitere Eruption, begleitet mit vielen Ah’s und Oh’s in allen Sprachen dieser Welt.
Oben angekommen ist man zwar immer noch ganz schön weit weg (während der ersten Tage des Ausbruchs sah dies anders aus), aber mit bloßem Auge, Fernglas oder Tele lassen sich die Ausbrüche gut verfolgen und sind trotz der Distanz (meine Familie daheim ist sehr glücklich über diesen Umstand) mega beeindruckend. „Rumpeln“ tut es hier nicht, eher zischen, wenn wieder eine Fontäne ausgestoßen wird, die mal in die Höhe, mal zur Seite schießt und den Berg hinunter fließt. Ich bin restlos begeistert und kann jedem nur empfehlen, sich dieses einmalige Naturschauspiel anzuschauen!
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