Wer hätte das gedacht, wir werden noch zu „Belgien-Fans“. Nachdem es uns beim ersten Mal in De Haan gut gefallen hat und das Städtchen für uns schnell erreichbar ist, verbringen wir zum zweiten Mal in Folge einen Kurzurlaub in unserem Nachbarland, dieses Mal samt Oma.
Wieder legen wir auf der Fahrt einen Zwischenstopp im Designer Outlet in Maasmechelen ein – Shoppen geht bei vier Frauen immer und auch der Fahrer muss sich ja mal die Beine vertreten und bekommt zur Belohnung ein paar Socken… Also sind am Ende alle happy!
In De Haan angekommen (siehe auch: Strandurlaub in Belgien: De Haan) beziehen wir unser schönes Apartment direkt hinter dem Dünengürtel. Schnell noch an den Strand gehüpft und den Sonnenuntergang bestaunt, dann geht es ab in die „Frituur“, ein Abendessen besorgen. Auf Empfehlung unserer Vermieterin landen wir bei „Frietvosje“ im De Haaner Stadtteil Vosseslag und bestätigen: Diese typische belgische „Frittenbude“ (siehe auch Belgien: Genüsse für Leib und Seele) können auch wir empfehlen!
Gent
Am nächsten Tag steht ein Besuch von Gent auf dem Programm. Gent, die Hauptstadt Ostflanderns, war im Mittelalter durch den Tuchhandel eine der blühendsten und reichsten Städte Europas und die Innenstadt ist prächtig anzuschauen. Ihr Reichtum zeigt sich unmittelbar am zentralen Platz mit Rathaus und der Sint-Baafs-Kathedraal, wo auch die Lakenhalle (Tuchhalle), das Messe- und Lagerhaus der Tuchmacherzunft, mit ihrem 95 Meter hohen Belfried, steht.
Unsere erste Anlaufstelle ist die Sint-Baafs-Kathedraal mit ihrem weltberühmten Meisterwerk, dem Genter Altar der Gebrüder van Eyck. Für die Kirche wird kein Eintritt verlangt, wohl aber für die Besichtigung des Genter Altars (4 Euro für Erwachsene, Audioguide inklusive, Kinder frei). Das Kunstwerk besteht aus 22 einzelnen Tafeln, die berühmte zentrale Tafel zeigt „Die Anbetung des Lamm Gottes“ mit verschiedenen „Gläubigengruppen“ (z.B. Propheten, Kleriker, heilige Jungfrauen), die das Lamm Gottes verehren. Faszinierend, in welchen Farben und welcher Fülle von liebe- und ausdrucksvoll gestalteten Figuren sich das 1432 entstandene Werk zeigt! Der Audioguide beschreibt genau, wer auf dieser und auf den anderen Tafeln abgebildet ist und woran diese Person erkannt werden kann. Leider ist diese Beschreibung gerade für Kinder sehr „deskriptiv“, spult viele Fakten herunter und ist nicht besonders spannend gemacht – ein Audioguide nur für Kinder wäre toll! Einzig interessant für die Kinder war der Bericht über den Diebstahl der Tafeln der „Gerechten Richter“ und von Johannes dem Täufer, von denen die „Gerechten Richter“ trotz diverser Hinweise bis heute auf mysteriöse Weise verschwunden bleibt.
Spannender fanden die Kinder da schon das in der Kirche aufgehängte Wal-Skelett, samt Jona-Erzählung.
Wir setzen unseren Spaziergang fort durch das historische Zentrum. Gent hat nicht ganz so viele Wasserstraßen wie Brügge, aber doch ein paar, wie sich an der Wasserburg Gravensteen und den Kaistraßen Korenlei und Graslei zeigt. Hier stehen die imposanten alten Speicher- und Zunfthäuser, eines prächtiger als das andere. Auch die Grachtenfahrten legen hier ab und im Sonnenschein tummeln sich viele Studenten am Ufer.
Wir schlendern weiter durch die Gassen, besuchen das Vleeshuis, ehemals große Fleischerhalle der Metzgerzunft, heute ein Geschäft mit Spezialitäten aus Ostflandern. Weiter geht es zum Vrijdagsmarkt, denn zufällig ist es auch Freitag und am Markt ist viel los: von Obst und Gemüse über Käse, Wurst und Fisch bis hin zu Kleidern und Nippes gibt es hier alles und das schöne Wetter zieht gefühlt die halbe Stadt an.
Nach einem leckeren Mittagessen am Korenmarkt im „Du Progres“ – hier gibt es das flämische Nationalgericht „Waterzooi“, einen Eintopf in verschiedenen Varianten mit Fleisch und Fisch sowie endlich mal günstige (und gute) Kinderessen, spazieren wir weiter durch die Straßen. In Ermangelung von Schokoladenläden außer den üblichen Leonidas und Neuhaus machen wir eine neue Entdeckung: „Aux Merveilleux de Fred„, eine Patisserie-Kette aus Frankreich, die luftig-leichte,weiche Meringue-/Baiser/Sahne-Törtchen in verschiedenen Geschmacksrichtungen (unter anderem Schokolade, Spekulatius, Pistazie, Kirsche) herstellt, mit verheißungsvollen Namen wie „L’incroyable oder „Le Magnifique“. Das ist eine (oder mehrere) Sünde wert! Wie wir später feststellen, hat Ende 2017 auch eine Filiale in Berlin eröffnet.
Brügge
Bereits das letzte Mal haben wir einen Ausflug nach Brügge unternommen, das sein heutiges Bild ebenfalls seiner Blütezeit im Spätmittelalter und dem Tuchhandel verdankt. Jedem, der die Stadt besuchen will, empfehle ich vorab den Film „Brügge sehen… und sterben?“ anzuschauen (ok, nicht unbedingt (kleinen) Kindern, denn er ist ab 16). Der Film aus dem Jahr 2008 mit Colin Farrell, Brendan Gleeson und Ralph Fiennes handelt von zwei Auftragsmördern, die in Brügge untertauchen. Während sie auf den Anruf ihres Auftraggebers warten, schauen sie sich die Stadt an. Der eine hasst die museale Stadt, der andere ist von ihr fasziniert. Auf jeden Fall gibt es massig Orte zu sehen, die ihr später bei eurer Besichtigungstour wiedererkennen werdet!
Und auch der zentrale Platz der Stadt, der „Grote Markt“ mit seinen hübschen giebelständigen Häusern, dem Provinciaal Hof (Regierungssitz der Provinz Westflandern), der Lakenhalle und dem Belfried sind Schauplätze des Films. Der 83 Meter hohe Belfried ist Teil der Lakenhalle (Tuchhalle) und Wahrzeichen der Stadt. Er kann über 366 Stufen bestiegen werden und bietet einen tollen Blick über die Stadt und das Umland.
Gleich nebenan befindet sich eine weitere Berühmtheit Brügges, die Heilig-Blut-Basilika. Hier wird eine der bedeutendsten Reliquien Europas aufbewahrt, eine Ampulle mit dem Blut Christi. Das hätten die Kinder zu gerne gesehen: „Ist das wirklich sein Blut? Wer hat ihm das abgenommen? Wie bleibt die da so lange drin, ohne kaputt zu gehen?“ – tja, ich bin Evangelisch und überlasse die Antworten lieber meinem katholischen Mann… Leider bekommen wir die Reliquie aber gar nicht zu sehen, sie wird nur an bestimmten Tagen öffentlich gezeigt.
Dass die Handelsstadt im Spätmittelalter zu einer der reichsten Städte Europas gehörte, lässt sich heute noch an den vielen prachtvollen Gebäuden erahnen. Das mittelalterliche Stadtbild ist sehr gut erhalten und seit 2000 UNESCO Weltkulturerbe. Es lässt sich schön hier bummeln (Achtung, an den vielen Schokoladen- und Waffelläden kommt ihr mit Kindern nicht vorbei, ohne etwas kaufen zu müssen) oder die Stadt mit einer Grachtenrundfahrt erkunden.
Anschließend ist Mittagessen angesagt, im De Halve Maan. Das ist nicht nur ein Restaurant, sondern die älteste Stadtbrauerei Brügges und kann auch besichtigt werden, Bierverkostung inklusive (siehe: Belgien: Genüsse für Leib und Seele). Ein Bier sollte man hier auf jeden Fall verkosten!
Und welche Stadt gefällt uns jetzt besser?
Ohne Zweifel, beide sind sehr schön und einen Besuch wert. Brügge ist kleiner und „lieblicher“, fast schon kitschig in seiner ganzen Pracht. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl und Größe hat Brügge sehr viel mehr Touristen als Gent, vielleicht wirkt es deshalb auch eher wie ein großes Freilichtmuseum. Grachtenfahrten fanden wir hier schöner als in Gent, außerdem gibt es aus Sicht der Kinder bessere Schokoladen- und Waffelläden. Aber insgesamt gefällt uns Gent besser. Die Pracht der Zunfthäuser, der Lakenhalle und des Belfrieds ist ähnlich, aber Gent ist viel „großzügiger“, hat viel mehr urbanen Charakter, Einkaufsmöglichkeiten, Restaurants und Kneipen und ist eine quirlige Stadt nicht nur für die Touristen, sondern von und für die Einheimischen, darunter viele Studenten. Aber – geht hin und urteilt selbst!
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