Eigentlich ist die Küstenregion Hawke’s Bay an der Ostküste der Nordinsel von der Sonne verwöhnt. Das ist nicht zuletzt an der landwirtschaftlichen Nutzung dieser Gegend erkennbar: Obstplantagen und Rebflächen prägen das Landschaftsbild in der Ebene. Von den umliegenden Bergketten hätte man eine super Sicht auf die Bucht und wir hatten eigentlich geplant, den Te Mata Peak (Kaokaoroa Range, Anfahrt über Havelock North) zu besuchen und von dort die Aussicht zu genießen. An klaren Tagen soll man von dem 400 Meter hohen Berg sogar bis zu den Vulkanen des Tongariro Nationalpark blicken können. Leider macht uns das Wetter – Nieselregen und viele Wolken – einen Strich durch die Rechnung.
Sternekompass im Waitangi Regional Park
Statt dessen besuchen wir den Waitangi Regional Park an der Küste bei Clive. Schwerpunkt dieses Parks ist zum einen das Ökosystem/Wildlife in der Küstenregion (Wetlands, Dünengebiet, Wasservögel) – das schlechte Wetter dämpft unsere Lust auf einen größeren Spaziergang. Zum anderen befindet sich hier der Sternekompass Atea a Rangi, nahe am Parkplatz und diese Strecke schaffen wir trotz Regen. Durch ein hölzernes Tor (Waharoa) laufen wir in Richtung eines kreisrunden Zirkels aus Säulen und Steinen. Vier der sehr schön geschnitzten Holzpfosten stehen für die Himmelsrichtungen und gleichzeitig Maori-Persönlichkeiten. Beispielsweise steht Tonga/Süden für Kupe, einen Stammesführer, der für manche Maori als Entdecker Neuseelands gilt. Erkennbar in seiner Säule unterhalb der Figur ist das Sternenbild des Kreuz des Südens. Zwei weitere Säulen stehen für die Winter- und Sommersonnenwende. In sehr detaillierten Tafeln wird all dies erklärt und zeugt von der Navigationsfähigkeiten und -werkzeuge der Māori, die einst (Ende des 13. Jahrhunderts) von Polynesien aus auf dem Ozean nach Neuseeland (=Aotearoa) segelten.
Art Decó-Stadt Napier
Zentrum der Hawke’s Bay bilden „Twin Cities“ Hastings (über 70.000 Einwohner) und die Hafenstadt Napier (ca. 60.000 Einwohner), wo auch die Regionalverwaltung ihren Sitz hat. Die nebeneinanderliegenden Städte bilden das fünftgrößte Ballungsgebiet Neuseelands.
Beide Städte wurden geprägt durch das große Hawke’s-Bay-Erdbeben im Jahr 1931, dem schwersten Erdbeben der jüngeren Vergangenheit in Neuseeland. Das Beben mit der Stärke 7,9 auf der Richterskala und Nachbeben der folgenden Tage bis zu einer Stärke von 7,3 forderten unter anderem 93 Menschenleben in Hastings und 161 in Napier (insgesamt 258). Insbesondere Napier war baulich schwer getroffen, da anschließende Großfeuer in der viel enger bebauten Stadt für zusätzliche Zerstörung sorgten. Diese waren so gravierend, dass sogar vorgeschlagen wurde, die Stadt dem Erdboden gleich zu machen und an anderer Stelle wiederaufzubauen. Letztendlich setzte sich jedoch der Vorschlag durch, dem Vorbild von Santa Barbara in Kalifornien zu folgen (ebenfalls bei einem Erdbeben schwer beschädigt) und die Stadt im damals zeitgemäßen spanischen Missions- und Art Decó-Stil wieder aufzubauen. Heute präsentiert sich insbesondere Napier als eine der beeindruckendsten, weil am besten erhaltene, Art-Decó-Städte weltweit. Im Gegensatz zu South Miami, wo die Gebäude deutlich größer und imposanter sind, herrschen in Napier zweistöckige Gebäude vor. Ganze Straßenzüge sind durchgängig in diesem Stil erbaut (z.B. in der Tennyson und Emerson Street) und das Stadtzentrum steht heute in weiten Teilen unter Denkmalschutz. Die Pastellfarben entstammen übrigens angeblich einer Notlage: Aufgrund von Geldmangel mussten die Farben verdünnt werden. Das Ergebnis ist auf jeden fall höchst sehenswert: Lasst euch einfach durch die (teils verkehrsberuhigten) Straßen der Innenstadt treiben und vergesst nicht, nach oben zu schauen! Ihr werdet hübsche Fotomotive ohne Ende finden und vielleicht fühlt auch ihr euch wie in einer Filmkulisse aus den 30er Jahren, so ist es zumindest uns ergangen.
Hübsch zum Schlendern ist auch die Uferpromenade Marine Parade, das Meer hier allerdings zu strömungsstark zum gefahrlosen Baden (na ja, zum Glück war ja auch das Wetter bei uns schlecht…). Eine Sehenswürdigkeiten in dieser Straße sind die Six Sisters, sechs baugleiche viktorianische Holzhäuser, die ein Kapitän für seine sechs Töchter erbauen ließ. Sie haben als eine der wenigen die Erdbebenkatastrophe überlebt und gehören seit kurzem ebenfalls zum nationalen Kulturerbe Neuseelands. (Und ja, ich kann zählen: Auf dem Foto sind nur fünf der sechs zu sehen, weil das sechste gerade eingerüstet ist).
Noch zwei Hinweise zu Napier: Aufgrund der historischen und touristischen Bedeutung ist die Stadt gut besucht und die Parkplätze in der Innenstadt sind daher (bis 18 Uhr) größtenteils kostenpflichtig. Wenn ihr bereit seid, etwas weiter entfernt zu parken, so gibt es an der Marine Parade in der Nähe des Aquariums auch kostenlose Parkplätze. Und noch ein Tipp zum Essengehen: Bereits vor 28 war ich mit meinem Mann im Restaurant Indonesia, ebenfalls auf der Marine Parade. Zu meiner großen Freude gab es das immer noch (mittlerweile der vierte Pächter, wie uns der freundliche Wirt informiert), es ist eines der ältesten durchgängig betriebenen Restaurants Neuseelands! Und die Rijstafel, das indonesische Festmahl aus zahlreichen verschiedenen Gerichten, gibt es ebenfalls immer noch und ist sehr zu empfehlen.
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