Nachdem wir am Vormittag in Osaka waren, steht heute Nachmittag zunächst ein Gang durch den vielleicht bekanntesten Stadtbezirk von Kyoto, das Gion-Viertel, auf dem Programm. Landesweit ist das Gion-Viertel das berühmteste seiner Art für die japanischen Unterhaltungskünstlerinnen Geishas (hier Geikos genannt) und deren Schülerinnen, die Maikos. Eine Geisha ist in zahlreichen traditionellen japanischen Künsten ausgebildet (z.B. Kalligrafie, Teezeremonie, Musik, Tanz) und ist eine vollendete Gastgeberin, jedoch keine Prostituierte. Im Gion-Viertel leben Geishas in Okiyas, in Gemeinschaftswohnhäusern zusammen.
In den größtenteils von traditionellen Holzhäusern (das Material hat sich bei Erdbeben durch seine Elastizität sehr bewährt) gesäumten Straßen der Altstadt lässt es sich schön flanieren, einkaufen – und vor allem auch Leute beobachten. Zahlreiche Menschen (allerdings größtenteils Touristen) laufen hier in traditionellen Gewändern, in Kimonos und Yukatas sowie mit Getas (Holzschuhen), durch die Gegend. Es ist eigentlich ein sehr schönes Bild, aber mitunter nimmt es leicht komische Züge an, wenn sich fast zwei Meter große, etwas kräftigere amerikanische Damen als Geisha verkleiden und auf Holzschuhen durch die Straße stolpern (leider verbietet es das Persönlichkeitsrecht, ein entsprechendes Bild hier zu veröffentlichen).
Um uns die traditionellen japanischen Künste ebenfalls näher zu bringen, hat Miyoko (die in Deutschland in ihrer Freizeit auch dieses Kunst studiert) den Besuch einer Teezeremonie bei Nagomi für uns gebucht. Nagomi verfügt im Untergeschoss über einen Laden unter anderem für Teezeremonie-Zubehör. Wir begeben uns für die Teezeremonie in den ersten Stock in einen mit Tatami-Matten ausgelegten Raum.
Zunächst sucht sich jeder seine Teeschale aus und lässt sich dann auf dem Boden nieder (Kniesitz oder Schneidersitz für uns Ungeübte). Dann erklärt uns die Teemeisterin die Kernelemente einer Teezeremonie. Nach genau fest gelegten Regeln beginnt nun die Teezeremonie mithilfe verschiedener Gefäße und weiterer Hilfsmittel (Teebambuslöffel, Teebesen etc), bei der selbst die kleinste Bewegung und natürlich die genaue Abfolge vorgegeben ist und stimmen muss. Wir erhalten kleine bunte Süßigkeiten, die man zusammen mit dem Tee zu sich nimmt. Anschließend reicht der Gastgeber dem ersten Gast die Teeschale, in welcher der pulverisierte Grüntee (Matcha) mit Wasser aufgegossen und mit dem Teebesen leicht schäumend verrührt wurde. Reihum trinkt nun jeder wenige Schlucke Tee, bevor er die Schale dreht, wieder zurück gibt, diese gereinigt, neu befüllt und weitergegeben wird. Wir dürfen auch selbst den Matcha in unserer Schale anrühren. Überraschenderweise schmeckt der milde grüne Tee selbst den Kindern. Wenngleich wir nicht alles verstanden und sicher einiges nicht ganz richtig gemacht haben, war es doch ein schönes Erlebnis für uns alle.
Nach einem weiteren Spaziergang durch das Gion-Viertel gelangen wir zum Yasaka-Schrein, der der Gottheit Susanoo des Windes und des Meeres geweiht ist. Der Shinto-Schrein mit Ursprüngen im 7. Jahrhundert ist einer der größten Japans. Es ist das Schöne an einem Spaziergang durch Kyoto, dass es an jeder Ecke etwas zu entdecken und bestaunen gibt!
Am nächsten Tag steht mein persönliches Highlight auf dem Programm: Wir besuchen den Fushimi Inari-Taisha. Dieser im 8. Jahrhundert gegründete Shinto-Schrein ist der Gottheit (Kami) Inari gewidmet und gehört zu den ältesten und bekanntesten Schreine in Kyoto. Für die rund 30.000 Inari-Schreine in Japan ist er der Hauptschrein. Wenn ich eine Wahl treffen müsste, er wäre für mich auch der Schönste, den ich in Japan gesehen habe!
Mit dem Zug ist es eine kurze Fahrt in den Stadtbezirk Fushimi. Dort angekommen muss man nur den Menschenmassen folgen und sieht alsbald das große, ziegelrote Eingangstorii. Schon bevor wir dieses passieren, sehen wir Füchse, deren Statuen sich überall auf dem Gelände befinden. Inari ist die Gottheit der Fruchtbarkeit und des Reises, Füchse sind ihre Botentiere. Einige Füchse tragen Schlüssel für die Kornkammern im Maul, andere Sutrenrollen (das sind buddhistische Schriftenrollen).
Doch die eigentliche Attraktion des Fushimi Inari-Taisha sind tausende leuchtend orangerote Toriis. Sie winden sich in immer wieder unterbrochenen Tunneln auf vier Kilometern Länge durch den Wald, auf den 233 Meter hohen heiligen Berg Inariyama. Die Toriis sind Opfergaben von Gläubigen, die um die Gunst von Inari, meist in Form von geschäftlichem Erfolg, bitten. Die Namen der Spender sind hinten auf den Toriis zu lesen, von vorne sind die Toriis schlicht.
Entlang des Weges stehen auch zahlreiche O-tsukas, Altäre für die Gottheit Inari, mit vielen kleinen Toriis und weiteren Füchsen. Auch mehrere kleine Schreine liegen immer wieder rechts und links. Cafés, Trinkautomaten, Wohnhäuser und Toiletten säumen ebenfalls den Weg, und immer wieder öffnet sich auch eine Aussicht in die Ebene. Für Abwechslung ist also gesorgt!
Unser Fazit: Es ist ein toller Spaziergang durch die Toriis den Berg hinauf (Laufschwächere können auch nur einen Teil des Weges laufen). Zu Beginn schieben sich noch die Massen durch die Tunnel, und man ist fast am Verzweifeln, weil man die Toriis auch mal ohne Menschen fotografieren will. Weiter oben wird es merklich ruhiger und es lassen sich alle Arten von Fotos machen. Wer in Kyoto ist, sollte den Fushimi Inari-Taisha unbedingt besuchen!
Kommentar verfassen